Neue Botschaft Hamburg

Wie sieht sie eigentlich aus, die Hamburger Mode? Gilt immer noch hanseatisch zurückhaltend als Dresscode oder gibt es längst eine neue Botschaft?

Text Fabian Hart
Fotos Eva Dietrich & PR

Bis heute sind sich viele einig: Mode in Hamburg bedeutet hanseatisches Understatement. Dabei ist diese Sander-Nostalgie auch nur noch ein COS-Mantel am Neuen Wall. Der Look hängt genau so von Seoul bis Innsbruck in sämtlichen Filialen des H&M-Ablegers.

Den einen Hamburger Stil gibt es nicht, nicht mehr, nicht mehr oder weniger als in anderen Städten. Alle haben von überall aus Zugriff auf alles und so viele schon mal ein, zwei Semester in London studiert oder ein Praktikum in New York gemacht, oder in Paris, oder beides.

Die hartnäckige Vorstellung vom Hamburger Understatement ist dennoch eine gute Grundlage für die Designer der Stadt. Tatsächlich löst “Berlin based fashion designer“ hysterischere Assoziationen aus. Hamburg ist nie Hype, hier gibt’s keine Fashion Week, man hat hier seine Ruhe – machen nicht gerade diese Punkte Hamburg als Standort besonders attraktiv?

An dieser Stelle kommt Melanie Jeske ins Spiel. Sie hat sich als Melodie Michelberger und ihrer Michelberger PR eine Online-Gestalt erschaffen, mit deren Hilfe sie nicht nur sich selbst, sondern auch Modelabels aus Hamburg promotet, die sie berät und bekannter macht. Sie führt die zum Teil noch sehr jungen Marken enger zusammen und hat mit ihrer Idee Neue Botschaft Hamburg einen wahrhaftigen Ort geschaffen, an dem sie zweimal im Jahr zurück zur Physis führt, zur Kleidung, aber auch zur realen Begegnung zwischen Designern, Print- und Online-Redakteuren, Fotografen, Hamburger Kreativen.

Was aber ist die Botschaft? „Stilistisch sind die Labels, die ich berate, alle sehr unterschiedlich – das zeigt auch die große Bandbreite des Hamburger Stils: von mädchenhaft bis avantgardistisch-sportlich.“ Etwa wie bei Lies in Layers, das Label von Monika Köver und Katrin Krieschbach, die sich derzeit mit ihrer zarten Street Wear einen Namen machen. Auch Formen der Sportmode setzen sie in feinen Stoffen wie Schurwolle oder Seide um. Kathrin Musswessels designt Kleider, aber ganz bewusst keine ausschließlichen Abendroben. Ihre Ganztagskleider geben dem Kleid ein neues Selbstverständnis und enthalten auch einen emanzipatorischen Aspekt, weil eben nur eine Frau in einem Kleid die Hosen anhaben kann. Tanja Glissmann war schon als Designerin für LaLa Berlin tätig und hat nach ihrem Vintage Shop Black Velvet Circus seit 2013 auch ihr Label danach benannt. Ihren scheinbar romantischen Sixties- und Seventies-Formen stellt sie klare Statements entgegen, die sie auf Klettstreifen stickt, wie man sie von Namensschildern an Militärkleidung kennt. Xenia Bous ist der Liebling aller Stylisten und für ihre skulpturalen Ketten, Ringe und Armreifen bekannt – Oliver Pfeiffer aka Jonathan Johnson für seinen nicht weniger gewaltigen, oft ironisch beschrifteten Schmuck.

Bei allen Designern sind Rhythmus und auch die Produktionsweisen ihrer Kollektionen ein wichtiges Thema. Die meisten produzieren vor Ort in Hamburg und wirken der Idee von Fast Fashion entgegen. Oliver Pfeiffer verwendet ausschließlich recyceltes Gold und Sterlingsilber, Labels wie Katrin Diedrichs Ethel Vaughn denken von Teil zu Teil und Ort zu Ort – mit ihren „Neighbourhood Pieces“ will sie weg vom Denken in Kollektionen und eher starke Einzelteile produzieren. Das passt auch gut zu Hamburger Konzepten wie dem der Kleiderei und ihrem „Curated Borrowing“, also Mode zum Ausleihen, die man online bestellt und nach dem Tragen retourniert. Auch das Projekt Made auf Veddel, das Einwanderinnen in Berufsfeldern der Haute Couture im Stadtteil Veddel ausbildet, setzt Produktion, Konsum und Verantwortung in einen Kontext.

Wir haben einen Punkt erreicht, an dem immer mehr Kleidung und Kaufanreize produziert werden, man nicht mehr zwischen Pre-Fall, Kapsel- und anderen In-Between-Kollektionen unterscheiden kann. Prêt-à-porter ist Pop, High Street sieht mittlerweile aus wie High Fashion, Produktionszyklen sind schwer nachvollziehbar, man macht sich so oft dreckig mit den Dingen, die man anschafft und trägt.
Die neue Botschaft Hamburgs bedeutet: es ist besonders und besonders versöhnlich, dass in der eigenen Stadt zurückhaltende Atelierkultur Mode macht, es so etwas wie einen Zusammenhalt gibt und eine alternative Haltung, fernab der Kapitale der Mode. Und ist diese Distanz nicht dann doch typisch hanseatisch?

 

Mehr zu Melodie Michelbergers Schützlingen und Aktionen hier. Und zugegeben, die Entwicklung der Hamburger Männermode lässt gerade noch zu wünschen übrig. Aber die Neue Botschaft Hamburg, sie hat ja erst begonnen.

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