Text & Foto Fabian Hart
Derzeit groß in Mode: Das Männerschälchen. Es hängt sich jedem Typen an den Hals, highstreetaufwärts, deutschlandweit. Man erkennt es an seinem kleinkarierten Muster, an der Kreppoptik, den ausgfransten Enden, am Baumwollmischgewebe. Das Männerschälchen ist etwa einen Meter lang, dreißig Zentimeter breit und lässt sich gerne der Länge nach gefaltet um den Hals schlaufen, etwa als Basic Loop (siehe Abbildung).
Man könnte meinen, ein Schal im November erfülle einen Zweck, aber das Männerschälchen ist kein Schal, es ist ein –chen. Es möchte überhaupt nicht warmhalten, es möchte ein Look sein und Indoor getragen werden und draußen immer nur über die Jacke. Das Männerschälchen casualisiert Büro-Outfits, wirft sich über Karohemden und Hoodies, es trägt sich zur Chino und Jeans, es ist ein Allrounder mit Pep. Nur Modevokabeln der 2000er können versuchen in Worte zu fassen, in was sich das Männerschälchen zu üben versucht, etwa stylishem Eyecatchen. Es will ein bisschen von allem sein, Halstuch, Schal und Krawattenersatz, feingeistig und modebewusst, nicht zu schick und nicht so höfisch, maskulin, bohemien und lässig, vertretbar unangepasst.
Wer aber alles ist, ist nichts so richtig. Das Männerschälchen hat keinen Stil, es macht einen auf Style. Ihm fehlt es an Geschichte, Funktion und Bedeutung, an Identität. Es hängt einfach nur ab, bei ESPRIT und Tom Tailor und wartet auf Kundschaft und andere Verirrte. Auf Menschen, die denken, dass kränkelnder Dandy-Imitator ein Lifestyle zum Umbinden sei, und das sind nicht wenige. Ja, das Männerschälchen ist ein gefälliger Topseller und macht seine Besitzer zu bemühten Modebürgern mit Problemen am Hals.