Collagen & Text Fabian Hart
Teil Zwei von The Frontest Row remixt Mailand und London mit Paris, wo heute die Men’s Fashion Week zu Ende geht. Auch hier vertraute Tendenzen (Langmantel, Teddyfell und Grau), die unseren Teil Eins bestätigen und darüber hinaus:
Excentric Leisure: Alle kennen Karls Jogginghosen-Spruch, aber das allein macht ihn nicht wahr. Christopher Shannon, Tomas Maier von Bottega Veneta, Gosha Rubchinskiy und Nasir Mazhar zeigen alles andere als Jungs, die die Kontrolle über ihr Leben verloren haben. Ihre Sweatpants werden zur Attitüde, die nichts mit rumlungern oder faulenzen zu tun hat, sondern sich gegen Dresscodes und andere Etiketten richtet. Immerhin steckt in Jogginganzug auch Anzug und selbst der arrogante Pelz wird von der Sweatpants dominiert. The boys are in control.
Beuys Boys: Ich will nicht allen dieser (Loden-)Mäntel Filz unterstellen, aber die Looks von Doma, Zegna, Lim, Simons und auch anderer Modemacher erinnern an das Lieblingsmaterial des deutschen Aktionskünstlers und die Eigenschaften, wofür er es schätzte: seine Schutzfunktion, insbesondere die Wärme, die es spendet und seine Natürlichkeit. Wie Beuys genau zum Filz fand, ist bis heute ein Mysterium. Ob ihm die tiefgrüne Presswolle nach einem Absturz im Zweiten Weltkrieg das Leben rettete oder er schon früher zum Filz fand – das Spartanische, Ursprüngliche, Ökologische und Geerdete sind Wesensmerkmale, die den Filz zu einem Protagonisten seiner Kunst haben werden werden lassen und auch auf viele Looks für den Herbst 2015 zutreffen.
Declare Wear: Wir haben kein Verständnis und keinen Platz mehr für ironisches Getexte auf T-Shirts auf Brusthöhe. Stattdessen: neue Tragflächen für präzise formulierte Forderungen mit gesellschaftspolitischer Relevanz. Angesprochen werden alle, die einem begegnen und lesen können, bevorzugt im Imperativ.
3.1 Phillip Lim, Christopher Raeburn, Off-White, Louis Vuitton
Acting Active: Manchmal stehe ich bei Karstadt Sport oder Globetrotter in Barmbek und hänge vor Karabinerhaken, Kletterseilen oder wasserdichten Rucksäcken ab. Dann fake ich mich als Outdoor-Kenner durch die Erlebnisfiliale auf 4000 Quadratmetern und kaufe Funktionswaren nur so als Fashion. Im Herbst 2015 macht auch Louis Vuitton auf Jack Wolfskin und Christopher Raeburn auf Hochsee und bei Dover Street Market in London kann man mittlerweile Campingausrüstungen kaufen. Die teilweise Hinwendung zur Funktionsware kennzeichnet einen Richtungswechsel in der Prestige-Mode und bricht mit den Erwartungen wie Luxus auszusehen hat.