#AntiCityGuide LA

Text & Fotos Fabian Hart

LA kann echt hart sein. Wenn du von der 101 auf die 10 und weiter auf die 405 musst, also eine Stunde auf Freeways, Highways und Interstates im Auto steckst, um ins andere Viertel zu kommen, das genau genommen eine eigene Stadt ist. Oder wenn du entweder zwischen einer Fleischtomate für 6 Dollar wählen kannst oder einem kompletten Fast Food Menü für denselben Preis. Oder du nach einem Monat Venice Beach feststellen musst, dass die Idee vom Überwintern in Kalifornien gescheitert ist: zurück in Deutschland hat mich die Kälte rücklings eingeholt und erst jetzt, wo sich der Frühling auf die Wintertemperaturen LAs aufheizt, habe ich begonnen die Nadeln auf Google Maps zu ordnen und meine Favoriten in Text zu übersetzen.

Der folgende #AntiCityGuide ist, nicht falsch verstehen, weder Anti-City, noch Anti-Guide, soll aber auf Absehbares verzichten und gängige Hotspots vermeiden. Geht das überhaupt noch, in einer Zeit, in der jede/r dieselben Mandelmilch-Lattes, Avocado-Toasts und Vintage-Läden empfiehlt? You decide:

 

Broadway Schrift

Den Walk of Fame ablaufen ist auch nicht besser als eine Bustour zu den Häusern der Stars. Ehrfürchtig vor einem zementierten Händeabdruck oder dem vermeintlichen zu Hause von Sandra Bullock stehenbleiben – geht’s noch? Was sich richtig lohnt: die Broadway Historic Theatre and Commercial District Walking Tour durch Downtown. Dieser Spaziergang (zu Fuß! In LA! Ohne Karre!) ist nicht nur ein Rückblick auf LAs Entertainment Epizentrum der 1920er und 1930er Jahre, also auf die Zeit, in der Hollywood Hollywood wurde, sondern erklärt nebenbei die Geschichte der Stadt. Hier offenbart sich das historische Los Angeles, das älteste Art Deco Gebäude der Stadt, das Eastern Columbia (1930) und Theater wie das Orpheum, Los Angeles Theatre, Roxie und Palace Theatre. Früher feierte hier Charlie Chaplin seine Filmpremieren, heute stehen die meisten Theater leer, werden als Verkaufsfläche für Urban Outfitters genutzt (Rialto Theater) oder in ein Ace Hotel (im United Artists Theatre Buidling) umgebaut. Veranstalter der Tour ist das Los Angeles Conservancy, eine Nonprofit-Organisation, die sich um den Erhalt der historischen Architektur LAs kümmert. Die Guides sind maximal engagiert und öffnen auch Türen zu sonst verschlossenen Theatern. Für alle, die im Juni nach LA kommen: das Conservancy veranstaltet dann Last Remaining Seats, ein Filmfestival, das in den wenigen heute noch nutzbaren Sälen Filmklassiker zeigt. Mehr Infos hier.

Broadway Walking - neuBroadway Historic Theatre and Commercial District Walking Tour / an ausgewählten Samstagen, 10:00 Uhr ab Pershing Square, Downtown Los Angeles

 

 

Fairfax Schrift

Auf Flohmärkten nach dem Richtigen suchen? In Berlin habe ich das knapp ein Jahr lang trainiert, etwa an der Straße des 17. Juni, aber das ist ne andere Geschichte. Den besten Flea Market in LA  jedenfalls findet man auf dem Campus der Fairfax High School – er wird jeden Sonntag zu einer Art Etsy Open Air. Hier hängen all die Sachen, nach denen man bei uns sonst mühevoll kramt oder scrollt und sich dann teuer nach Hause schiffen lässt. Auf dem Melrose Trading Post, so der offizielle Name des Fairfax Flea Market, sind die Stände voll von Vintage und Second-Hand aus den Neunzigerjahren, Marken wie Dickies, Guess Jeans, Levi’s, Chevignon, Kappa, Fila, also Kleidung, die aktuell als High Fashion für das Sechsfache in Concept Stores abhängt. Den grauen Kapuzenpulli von Champion habe ich hier auch gefunden. Unter anderem. Für 15 Dollar.

Melrose Trading

Melrose Trading Post / sonntags 09:00 bis 17:00 Uhr, Campus Fairfax High School, 7850 Melrose Avenue, Los Angeles CA 90046

 

 

Eames Schrift
Der Eames Plastic Side Chair ist auch nichts anderes als ein Audrey Hepburn Porträt in der Küche: Standard-Design, dank Lizenznehmer VITRA. Fühlt euch nicht ertappt, bei mir stehen die Teile auch rum. Weniger ausgeschlachtet und weitaus behüteter steht das Haus der Architekten und Designer Ray und Charles Eames in Santa Monica. Lucia Dewey Atwood, eine der fünf Eames-Enkel, hält hier Touristen fern und andere ungebetene Gäste und nur wer beharrlich bleibt, höflich und zahlt, kann das Wohnhaus des Ehepaares besuchen – besser gesagt von außen beschleichen. Die Familie und die Direktorin des „Eames Foundation 250 Year Project“ kümmert sich seit Charles Eames‘  Tod in 1978 nicht nur um den Erhalt des Hauses, sondern konserviert die Innenräume mit Detailhingabe. Das Interieur und die Dekoration scheinen unverändert seit Ende der 1980er als Ray Eames starb, zehn Jahre nach ihrem Ehemann. Die Eames konzipierten ihr Haus nach den Grundlagen einer Fallstudie, die in den Nachkriegsjahren Impulse für progressiven Wohnbau geben sollte, kostengünstig und doch innovativ Wohnräume zu schaffen. Teil unserer überschaubaren Besichtigungsgruppe waren übrigens auch die hochschwangere Natalie Portman und ihr Ehemann Benjamin Millepied.

Eames House - neu

 

Case Study House No. 8 „Eames House“ / Eames Foundation / 2013 Chautauqua Boulevard / Pacific Palisades, CA 90272

 

 

Wrap Schrift
Was passiert eigentlich mit all den Klamotten nach Drehschluss eines Films? Viele findet man bei It’s A Wrap! wieder, einem Second-Hand-Laden in Burbank hinter den Hollywood Hills. Die Klamotten sind nach Produktionen sortiert, also findet man unter Dancing With The Stars hysterische Show-Teile und bei Twilight eher Düsteres. An den Wänden hängen Original-Kostüme aus Filmen wie Showgirls, Staying Alive oder Serien wie Baywatch (Pams getragener Badeanzug!). Kleine Anekdote: während meiner Zeit in LA besuchte ich auch die Warner Brother Filmstudios und blieb bei Will Smiths Outfit aus Suicide Squad hängen, besser gesagt bei den Schuhen, die er im Film trug: halb Turnschuh, halb Arbeiterstifel. Von Reebok. Und jetzt ratet mal, was ich bei It’s A Wrap! gefunden habe? Wer wissen will, wie die genau aussehen, muss den Film nochmal anglotzen, oder, einfacher, ein paar Tage abwarten, bis ich sie auf Instagram zeige.

It's A Wrap - neu
It’s A Wrap! / 3315 W. Magnolia Blvd. / Burbank, CA 91505

 

 

Broken Relationships Schrift

The Broad, LACMA, schon klar – aber dafür braucht man keinen Reiseführer. Auf dem Hollywood Boulevard, zwischen Junkies und Nutten, steht ein Museum, das auch Abhängigkeit thematisiert: Beziehungen und vor allem ihr Ende. Das Museum Of Broken Relationships stellt Objekte aus, die unzertrennlich mit einem Beziehungsende verbunden sind. Vom Abschiedsbrief bis zum Schlussmacher-Outfit. Will man sich das tatsächlich ansehen? Ja, manchmal muss man das sogar.

Museum Of Broken Relationships

Museum Of Broken Relationships, 6751 Hollywood Boulevard, Los Angeles, CA 90028

 

 

Hollywood Schrift

Der Runyon Canyon ist ein Runway Canyon und eher Casting als Hike. Man muss samstags nur dem Schwarm oberkörperfreier Jungs und Mädels in Lululemon Lingerie-Sportsgear auf die Santa Monica Berge folgen. Nicht ganz so offensichtlich zugänglich ist der Wanderweg hinter das Hollywood-Zeichen, das jeder irgendwann aus direkter Nähe zu fotografieren versucht und dabei so oft scheitert. Viele versuchen ihr Glück vom Griffith Observatory aus, wo auch eine offizielle Aussichtplattform für das Hollywood Sign ausgeschildert ist. Die Wahrheit aber führt durch ein Örtchen namens Beachwood Canyon, das einen nicht nur direkt zu den Buchstaben, sondern vor allem dahinter führt. Auf YouTube gibt es zig Filme, die diese Strecke detailliert beschreiben. Diese hier hat uns Sarah rausgesucht. Schritt für Schritt kann man dem Hike auch hier folgen. Und jetzt noch das Beweisfoto:

 

Behind Hollywood - neu

 

Apple Pan SchriftLA frisst Geld. Auch und vor allem beim Essen. Sich darüber zu beschweren, wie teuer Whole Foods ist, hat mittlerweile aber echt einen Bart. La La Land „on a budget“ ist ein hartes Brot und manchmal brauchst du eben Torte, also sinnbildlich versteht sich. Wobei ich keine andere Stadt kenne, deren Bewohner so offensichtlich nach Ernährungsweisen unterteilt werden können. Die einen diätieren streng, die anderen können es sich nicht leisten. Von Fast Food bis Super Foods, Erewhon Market (das neue Whole Foods), bis Chick-fil-A, wechselte ich zwischen Sozial- und Qualitätswelten.
Zu meinem großen Glück hatte ich in LA auch Besuch von Sarah, die mich zu allen Happy Hours der Stadt brachte und von Mary, der ich blinden Vertrauens in alle Restaurants, Delis und Frühstückläden folgte. Unsere Tour hat Mary auch auf Stil in Berlin dokumentiert. Erinnerungswürdig ist nahezu alles, etwa The Apple Pan am Pico Boulevard. Was nach Konditorei klingt, ist eines der ältesten Restaurants der Stadt und seit 1947 für seine Burger und Kuchen bekannt. Wer also In’N’Out abfeiert, sollte hier mal kontraburgern und Banana Cream Pie nachladen. Yum.

 

The Apple PanThe Apple Pan, 10801 West Pico Boulevard, Los Angeles

 

Anti City Guide Header 2

 

 

Schon gesehen? Einen #AntiCityGuide gibt’s auch für Zürich!

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