Ich hatte ja echt keine Ahnung, als ich vor drei Jahren meinen Freund Ben in New York besuchte und zum ersten Mal für ein Wochenende nach Fire Island schiffte. Die Insel ist ein Strich in der Landschaft, 50 Kilometer lang und nur einen Kilometer breit, eine Sanddüne am Ufer von Long Island im Atlantischen Ozean.
Knapp zwei Stunden entfernt von NYC und ein Stündchen von der konservativen Hautevolee der Hamptons, ist das Leben auf Fire Island ungezwungener. Seit den 1960ern ist die Insel als Ausflusgsort für LGBTQI bekannt, vor allem die beiden Siedlungen Cherry Grove und Fire Island Pines. Heteronormative Moral und Geschlechterordnung lässt man auf der Reise zurück am Fähranleger Sayville, von dem aus man in fünfzehn Minuten im Fire Island Pines Harbour ankommt.
Fire Island aber ist keine Party-Insel, sie ist mehr als das, mehr als längster Homostrand der Welt, mehr als Drag Invasion – eine Show, die an jedem 4. Juli sämtliche New Yorker Drag Queens nach Fire Island zieht.
Die Insel ist ein Naturereignis. Hier fahren keine Autos, es gibt keine Straßen oder Gehwege, die (Ferien-)Häuser, meist 60er-Jahre Holzarchitektur, erreicht man auf Holzstegen, die sich auf Pfählen durchs Naturschutzgebiet schlängeln. Hier gibt es keinen Starbucks, keinen Whole Foods, nur einen Tante-Emma-Laden, aus dem man Lebensmittel in Ziehkarren nach Hause schleift.
In aller Öffentlichkeit schwul zu sein, ohne darüber nachzudenken, ob vielleicht jemand pöbelt, wenn du deinen Typen küsst, dumme Kommentare kommen, wenn du Arm in Arm gehst oder ob sich jemand an deinem Look oder deiner Natur stört, das ist meistens nur in geschlossenen Räumen eines Gay Clubs möglich. Fire Island aber ist der Beweis wie divers Natur ist, hier grasen Hirsche und Rehe zwischen Pinien, Haie tümpeln an der Küste, der Strand geht in Wiesen aus Farn über und aus moorigem Marschland wird feinster Sand, der Himmel gibt nachts allen Sternen Platz. Dass ich als schwuler Typ Teil der Natur der Welt bin, fällt mir manchmal noch selbst schwer zu glauben, so internalisiert habe ich gängige Sozialgefüge und Hierarchien unserer Gesellschaft.
Fire Island ist diesen Sommer wie eine Kur für mich, also nicht nur ihrer Natur wegen, die ich schon vor drei Jahren unglaublich fand. Erst diesen Sommer habe ich mich auf Fire Island einlassen können, war reif für die Insel und ich kann mich kaum an einen Ort erinnern, an dem ich mich jemals so unbeschwert, frei – natürlich gefühlt habe.
Die Bilder sind in Zusammenarbeit mit Palladium Boots entstanden, deren aktuelle Sommerkampagne #DareTheUnknown lautet. „Dare The Unknown“ passt natürlich zu meinem Aufenthalt auf Fire Island – weil ich die Insel diesen Sommer geographisch erkundete, aber auch neue Seiten an mir entdecken konnte.