Photo Jonathan Johnson
Text Fabian Hart
Es ist fast ein bisschen schade. Dass es nur so kurz da war. Das Gefahrengebiet. Aber vermutlich liegt es daran, dass es uns auch nicht weitergebracht hat. Aber von vorn.
Als vor drei Wochen jemand die Absicht hatte, ein Gefahrengebiet zu errichten, bekam ich das nur so am Rande mit, also am Rande des Gefahrengebiets, im guten Teil Hamburgs, auf der sicheren Seite. Damals vor drei Wochen saß ich zwischen einer neuen Internetseite – nämlich dieser hier – und der Veranstaltungsplanung fürs Hartfest. Wie gerne hätte ich stattdessen lieber das Gefahrengebiet besucht, nur mal so als Tourist aus der besseren Ecke der Stadt. Ich hätte mich dafür auch passend gekleidet. Hätte einen schwarzen Hoodie unter einer Bomberjacke getragen und Spray-On-Denims untenrum und Boots an den Füßen und dann ab aufs Schulterblatt und vermutlich hätte ich erst vor American Apparel wieder Halt gemacht, um ein bisschen zu voguen.
Spätestens dann wäre ich von Polizisten angehalten worden, aber darauf hätte ich schon gewartet, weil es wäre alles vorbereitet gewesen: der Perso und das iPhone und kein Geldbeutel, aber zwei kleingefaltete Zehn-Euro-Scheine, der engen Hose wegen. Und dann hätten sie mich umzingelt, die Polizisten, und ich wäre fertig gewesen mit Tanzen und die Worte „Esso“ und „Rote Flora“ wären dabei nicht aus meinem Mund gefallen.
Dann hätten sie keine Messer gefunden, die Polizisten, und auch sonst nichts, aber sie hätten gesehen wie unglaublich gut die Jeans sitzt und sich beim Abtasten der Jacke in die leicht geraffte Naht und andere Details verliebt, die sie davon überzeugt hätten, dass die Bomberjacke teuer gewesen sein muss und dann wäre ihnen „Mauvais Garcon“ zu Kopf gestiegen, mein aktueller Duft von Brecourt Paris und sie hätten sich gefragt, ob die Trekkingschuhe neu sind oder einfach nur wahnsinnig gut gewichst und noch während sie sich sicher gefühlt hätten, dass vor ihnen weder ein Linksautonomer noch Rechtsradikaler steht, sondern ein getarnter Loha, hätte ich ihnen wie aus der Pistole geschossen folgende Frage ins Gesicht geballert: „Wann ist Mode?“
Dass die wahren Gefahrengebiete ihren Ursprung nicht in ihrer Geographie tragen, sondern in uns selbst liegen, weiß auch Jonathan Johnson. Als Denkmal einer denkwürdigen Zone hat der Schmuckdesigner einen Anhänger geschmiedet, aus recyceltem Gold, der die Umrisse des letzten Hamburger Gefahrengebiets trägt.