Text & Photo Fabian Hart
Es ist verständlich. Auf den ersten Blick. Und ungerechtfertigt auf den zweiten. Viele sind enttäuscht von der Berliner Modewoche, werfen ihr fehlenden Wagemut vor und verweisen auf die immer gleichen, überschaubaren Highlights. Die Modemagazine und Blogs drehen sich um Lala Berlin, Perret Schaad, Hien Le, Achtland und Vladimir Karaleev. Sie sind die Vorbilder und Paradebeispiele der Berliner Mode: erhaben, unangestrengt, nonchalant, geradlinig, intellektuell. Aber die deutsche Mode kennt auch eine andere Wahrheit. Eine, die gerne belächelt, vertuscht oder angefeindet wird. Mir ging es nicht anders. Hier etwa. Das war vor drei Jahren.
Die MBFWB ist mittlerweile in Saison Zwölf angekommen. In den letzten sechs Jahren sollte klar geworden sein, dass die Berliner Modewoche auch eine deutsche ist. Sie ist eine Repräsentantin des Stils unseres Landes, welcher eben längst nicht mehr oder nur Jil Sander oder Strenesse bedeutet.
Die zweite Wahrheit der deutschen Mode trägt ganz andere Namen und sie sind nicht weniger groß und mächtig, auch wenn wir sie nur leise aussprechen. Brax, Gerry Weber, Gabor, Rieker, Basler, MAC, Marc Cain, Betty Barclay, Tom Tailor, Bonita, Riani, Guido Maria Kretschmer, Lena Hoschek, Tamaris. Fünf letztere sind auch auf der MBFWB zu Hause. Sie alle sind Topseller, umsatzstarke Marken made in Germany, die nicht nur in kleinen und mittelgroßen, sondern auch in großen Städten beheimatet sind. Dennoch sind sie die Grauen der Redaktionen und Modejournalisten. Externe Stylists werden damit beauftragt, diese Un-Marken in Editorials zwischen Louis Vuitton und Prada zu mogeln. Weil auch sie Anzeigenkunden sind. Gerade sie.
Vermutlich ist das auch ein Grund, weshalb sie es so schwer haben, die High-End-Fashion-Magazine Deutschlands. Elitäre Stil-Publikation sind eben nur für eine überschaubare Leserschaft relevant. Weshalb aber gibt es kein Magazin, das die andere Seite der deutschen Mode ehrlich bebildert? Ein Magazin, das aus Brax und Airfield Fashion macht? Eine Helene Fischer als Printprodukt?
Berlin ist kein Paris, kein London, kein Mailand, kein New York. Berlin steht nicht für Haute Couture, nicht für Nachwuchs-Förderprogramme, nicht für Tailoring oder Sportswear-Geschichte. Berlin steht für sich. Unsere Hauptstadt selbst ist die Mode und dürfen wir es den ihr nicht entsprechenden Marken ankreiden, sich in den Hauptstadt-Kontext einbetten zu wollen oder einfach nur parallel stattzufinden? Ist es so schwierig, die deutsche Mode genau so respektvoll zu behandeln wie die Berliner Vorzeigemode?
Experten, die über die MBFWB nörgeln, müssen mal wieder Berlin verlassen, um Deutschland zu sehen. Zum Beispiel im Alsterhaus Hamburg den Kunden auf Augenhöhe begegnen. Designer entwerfen nicht für Promis und andere Erste-Reihe-Gäste, sondern für den Endkonsumenten, Einkäufer, Existenzsicherer. Für Kunden, die nach Funktionalität, Tragbarkeit und Preis-Leistungsverhältnis entscheiden. Die Modepark Röther statt Eickhoff bevorzugen, ein flottes Top zur Jeans statt Statement-Piece. Die unter Mode Zirkus verstehen und nicht Ausdrucksmedium des Selbst.
Die Berliner Modewoche ist nicht bekannt dafür so hip zu sein wie die Fashion Week in London, sie ist nicht so classy wie die in Paris, so schnittig wie die Fashion Week in Mailand oder cool wie die in New York, aber dennoch birgt sie Labels, die genau das sind. Und eben andere Marken, die noch lauter benörgelt werden. Insofern könnte die MBFWB eine ganz entspannte Veranstaltung sein. Würde man sie ein bisschen deutsch sein lassen. Ihre Besucher können sich ihr eigenes Programm zusammenstellen, Dinge auslassen und sich in der Zeit darüber freuen, nicht allzu gestresst zu sein. Wer 2014 auf der Berliner Fashion Week noch immer Paris spielen möchte und dann gelangweilt Abneigung und Missgunst promotet, pseudo-profiliert sich auf Kosten anderer und das hat auf Dauer noch nie funktioniert.